Jede Minute und jeder Euro lohnt sich!

Stefan Hess spricht über das Niveau der heimischen Nachwuchsszene, Trainingsaufwand und Segeln als Lebensschule

Yachtrevue: In welcher Funktion sind Sie bei den Jugendmeisterschaften?

 

Stefan Hess: Ich coache hier nicht, sondern sichte für den Österreichischen Segel-Verband die Talente, beobachte alle Klassen, bilde mir ein Urteil und berichte dann an meinen Chef, ÖSV-Sportdirektor Georg Fundak. Das ist meine Aufgabe hier am Wolfgangsee.

 

Yachtrevue: Und wie lautet Ihr Urteil?

 

Hess: Es gibt ein riesiges Potenzial in allen Klassen, speziell die Opti-Kinder haben mich sehr beeindruckt. Das Niveau hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Technik, Bootsführung, Manöver, Start – die Leistungsträger führen in jedem Bereich eine sehr feine Klinge, zeigen auch in kniffligen Regelsituationen keine Unsicherheiten. In den anderen Klassen gibt es ebenfalls Talente, segeln ebenfalls auf hohem Niveau. Das gibt Hoffnung für die Zukunft.

Yachtrevue: Worauf führen Sie das von Ihnen angesprochene verbesserte Niveau zurück?

 

Hess: Die Landesverbände haben durch die Bank ein sehr gutes Trainingssystem aufgebaut, ob im Westen oder Osten. Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan – Trainingslager von Februar bis November, manche segeln sogar zu Weihnachten. Was das bringt, sieht man bei internationalen Regatten, z.B. Portoroz¡ , WM oder EM, aber man sieht es auch hier am Wolfgangsee.

 

Yachtrevue: Welcher Trainingsaufwand ist nötig, um international mithalten zu können?
Hess: Die Kinder sollten mindestens 150 Tage im Jahr und während der Saison vier Mal pro Woche im Boot sitzen, dann werden sie international Erfolg haben, im Sinne des Leistungssport. Um das zu realisieren, braucht es Struktur und Logistik, wobei die Landesverbände zum Teil unterschiedliche Wege gehen. Wie man diese 150 Tage aufteilt, bleibt den Landessegelverbänden selbst überlassen, Hauptsache die Kinder haben ausreichend Wassereinheiten intus

 

Yachtrevue: Wo gäbe es Verbesserungsbedarf?

 

Hess: Die vorhandenen Ressourcen könnten gezielter und gebündelter eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang würde ich mir mehr Miteinander wünschen und weniger Eifersüchteleien und Konkurrenzdenken. Wir sollten ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die bestmögliche Ausbildung für unseren Nachwuchs. Und das erreicht man auf Dauer nicht, wenn man mit Scheuklappen durch die Gegend rennt und nur sein Kind sieht.

 

Yachtrevue: Wie Roman Hagara beweist, kann man im Segeln mit 40 Europameister in einer Olympiaklasse werden. Ist es überhaupt notwendig in so jungen Jahren so viel zu trainieren?

 

Hess: Auch im Segelsport gilt: Je früher, desto besser, denn in der Kindheit werden die entscheidenden Bewegungsabläufe, z. B. bei der Technikschulung, gebahnt. Außerdem lernen die Kinder das Trainieren, das Dranbleiben an der Sache, das Sich-Überwinden, auch das kommt ihnen später zugute. Segeln ist eine sehr komplexe, umfassende Sportart, deshalb braucht die Ausbildung viel Zeit und deshalb muss man früh genug damit anfangen.

 

Yachtrevue: Ohne Engagement der Eltern geht es im Optimisten nicht. Manche Mütter und Väter klagen über die steigende zeitliche und finanzielle Belastung.

 

Hess: Die Eltern sollten dahinter stehen, das stimmt, mit den Kindern herumreisen und den Großteil finanzieren. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich jede Minute und jeder Euro lohnt. Denn das Segeln ist nicht nur Sport sondern auch Lebensschulung. Kinder sollten mit Spaß bei der Sache sein und Freude am Segeln haben. Erleben sie diesen „fun-Faktor“ können sie die Anstrengung am Wasser, so manche Erschöpfung und Niederlagen verkraften. Entscheidungen zu treffen, sich durchsetzen, dass können sie im Leben gut gebrauchen. Eine bessere Lebensschule gibt es nicht. Deshalb investiere ich gerne, und das sage ich nicht nur als Trainer sondern vor allem als Vater.

 

Interview von Judith Duller-Mayrhofer

 

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